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GUTACHTEN ÜBER DIE VERWENDBARKEIT
NAGELLOSER KUNSTHORN-HUF-SCHUHE

Durchgeführt im Auftrag der
Einhorn-Verbundhufeisen GmbH
durch Prof. Dr. Klaus-D. Budras.

 

FREIE UNIVERSITÄT BERLIN

Fachbereich Veterinärmedizin
Institut für Veterinär-Anatomie (WE 1)

Koserstrasse 20, 14195 Berlin

Beim herkömmlichen Hufbeschlag unter Verwendung von Hufnägeln sind Nachteile gegenüber dem Barhuf unvermeidbar. Von vielen Beeinträchtigungen sollen nur drei Aspekte beleuchtet werden:
 

 

  1. Mit dem Nagelkanal, der als Eintrittspforte für aufsteigende Keimbesiedlungen fungiert, werden Mikroorganismen näher zur Lederhaut herangebracht, und das erhöht die Gefahr einer eitrigen Lederhautinfektion mit einhergehender Schmerzauslösung und Lahmheit. Die Gefahr nimmt bei indirekter oder gar direkter Vernagelung drastisch zu.



  2. Der Hufmechanismus ist beim herkömmlichen Hufbeschlag eingeschränkt, wie die holografische Verformungsmessung unter Verwendung von Rubin-Impulslasern und die computergestützte Hufrekonstruktion von HINTERHOFER, 1997, eindrucksvoll belegen.
    Die Einschränkung des Hufmechanismus führt zur Minderdurchblutung und insbesondere zur Drosselung des Blutrückflusses aus dem Huf.


     

  3. Die Veränderung der Gewebespannung im Naturhorn infolge des Hufbeschlages begünstigt die Spaltenbildung in der Hufwand, die die Huffunktion beträchtlich mindert.

    Durch die vorgelegte Begutachtung sollte geklärt werden, ob durch den nagellosen Kunsthornhufschuh die genannten drei Nachteile behoben werden, und welche Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Hufbeschlag erzielt werden. Darüberhinaus sollten Ratschläge zum Vorgehen und Einsatzmöglichkeiten des nagellosen Kunsthorn-Hufschuhes erörtert werden.

    Zur Begutachtung lagen mir ein abgelöster nagelloser Kunsthorn-Hufschuh und sechs Naturhorn- sowie Kunsthornproben aus allen Hufbereichen vor. Weiterhin berücksichtigte ich die holografische Verformungsmessung des Labors Dr. Steinbichler vom 23.10.1985.



Im Ergebnis meiner gutachterlichen Untersuchung kann festgestellt werden, dass die Nachteile unter 1.und 2. durch den nagellosen Kunsthorn-Hufschuh ausgeschlossen werden. Bezüglich der Nachteile unter 3. (Gewebespannung) wäre eine Klärung durch umfangreiche computergestützte Untersuchungen zu erwarten.
Da nach HINTERHOFER,  1997, die beschlagsbedingte Einschränkung der Hufverformbarkeit mit dem Ausmaß der Gewebespannung positiv korreliert, dürfte durch den Kunsthorn-Hufschuh zumindest eine Besserung gegenüber dem herkömmlichen Hufbeschlag erreicht werden.
Die durch erhöhte Gewebespannungen ausgelöste Hornspaltenbildung mit der Gefahr von Tragrandausbrüchen wird durch den Kunsthorn-Hufschuh beträchtlich vermindert, denn er wirkt wie ein Außenskelett schützend auf die natürlichen Teile des Hufes.

 

 

 

Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Hufbeschlag:

 

  1. Die von mir speziell untersuchte Verbindung zwischen dem Kunsthorn und dem Naturhorn ist inniger als innerhalb der Naturhornmassen. Das ist bereits bei Betrachtung mit blossem Auge zu erkennen, denn die Trennfläche liegt überwiegend innerhalb der Naturhornmassen, selten zwischen Kunsthorn und Naturhorn, aber niemals innerhalb des Kunsthorn. Die rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen belegen diese Feststellung eindrucksvoll (siehe rasterelektronenmikroskopische Fotos Nr. 1-7). Im Naturhorn entstehen Zusammenhangstrennungen bevorzugt zwischen dem Röhrchenhorn und dem Zwischenröhrchenhorn (siehe Fotos Nr. 4 und 5). Der Zusammenhalt zwischen dem Naturhorn und dem Kunsthorn ist so innig, dass selbst natürlich vorhandene Interzellularspalten in einer Weite von ca. 0,3 Mikrometern mit Kunsthorn ausgefüllt werden und damit ver­schwinden (in Verlängerung der Pfeilspitzen in allen Fotos). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Verbindung zwischen Kunst- und Naturhorn grossfllächig erfolgt, ist ein wesentlich besserer Zusammenhalt als beim herkömmlichen Hufbeschlag zu erwarten, bei dem der Zusammenhalt nur punktuell an sechs Stellen durch den Hufnagel erfolgt.



  2. Die Zerfallsprozesse am Naturhorn werden innerhalb des Kunsthorn-Hufschuhes verzögert Naturhornmassen sind Baumaterialien beschränkter Haltbarkeitsdauer, die durch Zersetzungsprozesse in Zerfallshorn übergehen, das die mechanische Stabilität sowie die antimikrobielle Barrierefunktion eingebüsst hat. Die Zerfallsprozesse werden durch ungünstige Umweltfaktoren wie Gülle, Harnstoff und Kotgemische unter Beschleunigung des Keimwachstums gefördert. Diese ungünstigen Einflüsse können durch den Kunsthorn-Hufschuh gemindert oder   beseitigt   werden, und so die Zerfallsprozesse verzögert werden. Das Kunsthorn ist chemisch iniert, d.h. es findet keine chemische Umsetzung, wohl aber eine innige adhäsive Verbindung zwischen dem Natur- und Kunsthorn statt (Diese hervorragenden Eigenschaften werden seit vielen Jahrzehnten in der Elektronenmikroskopie bei der Einbettung biologischen Gewebes in Kunstharz genutzt, wo es auch zur innigen Verbindung und Penetration, aber nicht zur chemischen Umsetzung kommt.)



  3. Die Polymerisationshitze von 70°-90° C wirkt günstig, da hitzedesinfizierend. Eine Hitze-Koagulation mit Verlust der mechanischen Stabilität - wie an der Hornoberfläche durch den Hitzebeschlag Kunsthorn­Hufschuhes konnten bei der rasterelektronenmikroskopischen Untersuchung am Naturhorn keine mikrobiellen Zerfallsprozesse beobachtet werden, die beim herkömmlichen Hufbeschlag durch anaerobe Keime zum intensiven, rasterelektronenmikroskopisch leicht nachweisbaren Hornzerfall führen (besonders bei der ,,White line disease").

  

 

 

Ratschläge für das Anbringen des Kunsthorn-Hufschuhes  

 

  1. Die gründliche Reinigung des Naturhorns mit Wasser und die chemische Reinigung mit Azeton sind sehr sinnvoll, weil Azeton sowohl künstlich aufgetragene Huffette, als auch natürliche Lipide des Interzellularkittes löst und durch die Befreiung vom Fett die Klebeeigenschaften wesentlich verbessert.


     

  2. Verfärbte Hornmassen, die besonders in der Weissen Linie vorkommen, sind durch mikrobielle Zerfallsprozesse entstanden. Solche verfärbten Hornmassen sollten unbedingt entfernt werden, und die entstehenden kraterförmigen Vertiefungen sollten grundsätzlich mit Jodoform-Äther desinfiziert werden, um das Wachstum annerober Keime unter dem Schutz des Kunsthorns zu vermeiden (bei den von mir untersuchten Hornproben war diese Gefahr gebannt).



  3. Durch Anrauhen der Klebefläche nach Abraspelung der Kronhorn-Glasur wird die Klebeeigenschaft verbessert.

   

 

 

Vorschläge zur Ausweitung der Einsatzmöglichkeit  

 

  1. Bei genetisch bedingter verminderter Hornqualität (sprödem Horn) findet der Hufnagel keinen ausreichenden Halt (bekannte Probleme bei Lipizzaner Pferden in der spanischen Hofreitschule). Hier bietet sich der Kunsthorn-Hufschuh geradezu an.



  2. Therapeutischer Einsatz des Hufschuhes, zum Beispiel bei der Behandlung und Nachbehandlung der Hufrehe. Bei der Hufrehe geht die Barrierefunktion der Weissen Linie gegen aufsteigende Keim­Besiedlungen verloren, so dass zahlreiche Pferde an den Folgen der Hufrehe sterben. Eine Kunsthornbarriere gegen aufsteigende Keime wäre sehr sinnvoll und wirkungsvoll. Der Kunsthorn- Hufschuh könnte als orthopädischer Hufschuh bei Hufimbalanzen und bei der Notwendigkeit zur Be- und Entlastung bestimmter Hufanteile genutzt werden (z.B. Erhöhung der Trachten).

Prof. Dr. Klaus-D. Budras, 1 Juni 1998

In der Verlängerung der Pfeilspitzen der jeweiligen Fotos befindet sich die innige Verbindung zwischen dem Kunsthorn und dem Naturhorn.

Abb.1: 

 Rechts : Naturhorn (hell). Links: Kunsthorn (grau), die Oberfläche wurde gefriergebrochen.

Abb. 2 und 3:

 Links: Kunsthorn. Rechts: Naturhorn – Röhrchen.
 Dazwischen liegt eine spaltfreie innige Verbindung.

Abb. 4, 5 und 6: 

Das Kunsthorn oberhalb der Pfeile hat sich spaltfrei mit dem Naturhorn verbunden.
Im Naturhorn befinden sich zwischen den Hornröhrchen und dem Zwischenröhrchenhorn
deutliche Zusammenhangstrennungen.

Abb. 7: 

Teilspalthaltige und spaltfreie innige Verbindung (Pfeil) zwischen Kunsthorn (links) und Naturhorn (rechts).

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